Manila – Der neue philippinische Präsident Ferdinand “Bongbong” Marcos Jr. blieb während seines Wahlkampfs Antworten auf die Frage schuldig, wie er es mit Peking und Washington halte. Nun mehren sich die Anzeichen, dass die Aussenpolitik seines Vaters als Vorbild dienen könnte.
Der neue philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. will drei von seinem Vorgänger mit der chinesischen Regierung ausgehandelte Eisenbahnprojekte neu verhandeln. “The Sunday Times” berichtete am Wochenende, dass die Darlehensverträge für diese Investitionsvorhaben als zurückgezogen gälten, nachdem Peking nicht auf die Finanzierungsanträge des früheren Präsidenten Rodrigo Duterte eingegangen sei. Duterte hatte die Darlehen und Zuschüsse im Wert von 24 Milliarden Dollar im Oktober 2016 mit China ausgehandelt. Dazu zählten auch die drei Eisenbahnprojekte.
Philippinische Bevölkerung sieht China kritisch
Der Vorgang lässt aufhorchen, weil über den aussenpolitischen Kurs der neuen philippinischen Regierung bisher nur wenig bekannt war. Marcos Jr. hatte sich in seinem inhaltsleeren Wahlkampf nie auf eine Haltung gegenüber China festlegen lassen. Mal gab er sich so, als sei er Peking gewogen, mal kritisierte er die chinesischen Machthaber.
Im Mai sagte Marcos, dass der vor sechs Jahren in Den Haag ergangene völkerrechtliche Schiedsspruch zum Konflikt im Südchinesischen Meer aufrechterhalten werden müsse. Damals hatte das Gericht der Klage der Philippinen stattgegeben und die chinesischen Ansprüche auf weite Teile des Südchinesischen Meeres für ungültig erklärt. Duterte nutzte diesen juristischen Sieg dann allerdings nicht, weil er sich mit Peking gut stellen wollte.
Mit chinakritischen Äusserungen kann Marcos Jr. bei der Bevölkerung auf Verständnis zählen. China ist nach diversen Vorfällen im Südchinesischen Meer, als die Marine vom Festland auch ein Boot philippinischer Fischer versenkte, noch unbeliebter als bis anhin. Und die Bürokratie sowie das Militär der Philippinen stehen historisch den Vereinigten Staaten nahe.
Welche Bedeutung Südostasien und die Philippinen für Washington und Peking haben, zeigte sich nach der Wahl am 9. Mai. Der amerikanische Präsident Joe Biden war das erste ausländische Staatsoberhaupt, das Marcos Jr. telefonisch gratulierte und ihn nach Washington einlud. Damit waren Bedenken vom Tisch, dass der neue philippinische Präsident wegen eines noch hängigen Verfahrens vor einem Gericht auf Hawaii nicht in die Vereinigten Staaten reisen dürfe.
Die Regierung von Biden ist im Gegensatz zu jener seines Vorgängers Donald Trump im indopazifischen Raum präsenter, um ein Gegengewicht zu China zu bilden. Teil dieser neuen amerikanischen Strategie ist auch das vor rund zwei Monaten vom Weissen Haus präsentierte Indo-Pacific Economic Framework, dem auch die Philippinen angehören.
China lanciert eine Charmeoffensive
Auch China versucht Marcos Jr. diplomatisch zu umwerben. Der stellvertretende chinesische Präsident Wang Qishan war Gast bei dessen Amtseinführung am 30. Juni in Manila. Wenige Tage später besuchte der chinesische Aussenminister Wang Yi während seiner Tour durch fünf südostasiatische Länder die Philippinen. Er war der erste Aussenminister, den Marcos Jr. empfing.
Wang startete eine Charmeoffensive. «Unsere einzige Wahl ist es, freundlich, freundlich und nochmals freundlich zu sein», sagte er. Er sei zuversichtlich, dass beide Seiten eine neue goldene Ära für die bilateralen Beziehungen einleiten könnten.
Marcos Jr. betonte, China und die Philippinen sollten nicht allein über das Westphilippinische Meer diskutieren, wobei er damit die philippinische Bezeichnung für das Südchinesische Meer verwendete. Beide Länder sollten auch andere Dinge tun, damit sich die Beziehungen normalisierten, fügte Marcos Jr. an.
Er dürfte sich an der Aussenpolitik seines Vaters, des Diktator Ferdinand Marcos Sr., orientieren. Dieser hatte 1974 mit seiner Familie in Peking den chinesischen Counterpart Mao Zedong besucht, und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbart. Der Historiker Archie Resos von der University of Santo Tomas schrieb, Marcos Sr. habe damit die diplomatische Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten beendet.
Marcos Sr. war jedoch auch der erste Präsident, der die Ansprüche seines Landes auf die im Südchinesischen Meer liegenden und zwischen China sowie den Philippinen umstrittenen Spratly-Inseln mit dem Bau einer Landebahn sowie militärischer Einrichtungen verdeutlichte. In ähnlicher Weise hat sein Sohn erklärt, er wolle das Abkommen über den Besuch von Streitkräften mit den Vereinigten Staaten sowie gemeinsamer Manöver beibehalten und nannte Amerika einen besonderen Partner. Solche Äusserungen zeigen, dass er wie sein Vater bestrebt sein wird, sich mit den beiden Grossmächten auf einen Modus Vivendi zu verständigen. – Neue Zürcher Zeitung/RM
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