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Alternative Rohstoffquellen: Neue Rohstoffe, neue Gefahren für Menschenrechte

Manila – Nickel von den Philippinen, Kohle aus Kolumbien. Wegen des Ukrainekriegs suchen Unternehmen dringend neue Rohstoffquellen. Menschenrechte spielen kaum eine Rolle.

Ein Zusammenschluss aus mehr als 130 zivilgesellschaftlichen Organisationen warnt vor weitreichenden Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung infolge des Ukraine-Krieges. Der russische Angriff auf das Nachbarland habe in der Ukraine zu schwersten Menschenrechtsverletzungen geführt, darüber hinaus aber drohe der Krieg indirekt negative Auswirkungen auch auf ganz andere Weltregionen zu haben.

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„Die europäische und besonders die deutsche Wirtschaft sind von Metallen wie Kupfer, Eisenerz oder Nickel aus Russland hochgradig abhängig“, heißt es in einem gemeinsamen Bericht der Organisationen, darunter der BUND und Misereor. Unternehmen und Regierungen suchten jetzt fieberhaft nach alternativen Quellen, was neue Gefahren berge.

Dabei stünden sie vielfach vor der Wahl zwischen Pest und Cholera. „Um russische Nickelimporte zu ersetzen, fällt ihr Augenmerk zwangsläufig auf Indonesien und die Philippinen, wo sich fast die Hälfte der weltweiten Nickelproduktion konzentriert“, schreiben die Organisationen.

Die Philippinen sind gefährliches Terrain

Das sei „ein gefährliches Terrain“, besonders auf den Philippinen. Dort seien zwischen 2016 und 2020 unter dem martialischen Präsidenten Rodrigo Duterte 166 Landrechts- und Umweltaktivisten getötet worden – „deutlich mehr als in jedem anderen Land der Erde“. Die meisten von ihnen hätten sich gegen Bergbau, Holzeinschlag oder Staudämme gewehrt. Mit dem neu gewählten Präsidenten Ferdinand Marcos Junior, dem Sohn des langjährigen Diktators Ferdinand Marcos, sei eine Fortsetzung der Repression sehr wahrscheinlich.

Nicht besser sehe es beim Eisenerzabbau in Brasilien aus, den der Vale-Konzern dominiert, ein Schlüssellieferant für Thyssenkrupp und damit die gesamte deutsche Industrie.

„Mit den verheerenden Dammbrüchen der Eisenerzminen 2015 in Mariana (19 Tote) und 2019 in Brumadinho (272 Tote), die zu den größten wirtschaftsbezogenen Menschenrechts- und Umweltverbrechen der letzten Jahrzehnte weltweit gehören, hat der Bergbaugigant traurige Geschichte geschrieben.“ Viele weitere Dämme würden als höchst gefährdet gelten.

Zwangsumsiedlungen sowie Mordanschläge

Aber nicht allein Metalle versuchen Unternehmen aus anderen Weltregionen zu beschaffen, auch der Importstopp für Kohle und Erdöl aus Russland stellt sie vor erhebliche Herausforderungen. Signalwirkung habe nach Angaben der Menschenrechtsorganisationen ein Telefonat im April zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem kolumbianischen Staatspräsidenten Iván Duque über Kohlelieferungen gehabt.

„Kolumbien kann heute unverzüglich den Kohleabbau steigern“, sagte Duque kurz darauf dem Sender CNN. „Wir haben eine der größten Kohlereserven der Welt und nutzen sie für die Energiegewinnung nicht.“

Kohletagebaue verdrängen Menschen

In Kolumbien aber verdränge der größte Steinkohletagebau Lateinamerikas seit Jahren die umliegenden indigenen Gemeinden der Wayuú und grabe ihnen buchstäblich das Wasser ab, heißt es in dem Bericht. „Sprengungen setzen große Mengen an Feinstaub frei und verursachen schwere Atemwegserkrankungen, besonders unter Kindern und älteren Menschen.“

Zwangsumsiedlungen sowie Mordanschläge auf Indigene und Gewerkschafter seien im Umfeld von Kohleminen in Kolumbien keine Seltenheit. Mehrfach habe das kolumbianische Verfassungsgericht festgestellt, dass die Menschenrechte auf Nahrung, Wasser, Gesundheit und angemessene Beteiligung der indigenen und afrokolumbianischen Gemeinden missachtet würden.

Die EU braucht ein Lieferkettengesetz

„Der Krieg in der Ukraine führt zu einem regelrechten Ansturm auf Rohstoffe aus anderen Weltregionen und bedroht dort Menschenrechte und Umwelt“, sagt Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor. Es sei nun dringlicher denn je, dass die Europäische Union ihr neues Lieferkettengesetz vorantreibe, durch das sichergestellt werden müsse, dass europäische Unternehmen zur Einhaltung bestimmter Menschenrechts- und Umweltstandards gezwungen würden. Misereor gehört der Initiative Lieferkettengesetz an, die eine Einführung einer ähnlichen Regelung in Deutschland unterstützt hat.

Die Europäische Kommission hatte am 23. Februar, genau einen Tag vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine, ihren Vorschlag für eine Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht vorgelegt. Formal befindet sich dieser Entwurf nun in der Abstimmung zwischen EU-Parlament, den Mitgliedsstaaten und der Kommission.

Die Menschenrechtsorganisationen befürchten aber, dass der Ukrainekrieg als Vorwand genutzt werden könnte, um den Prozess entscheidend zu verzögern. Anzeichen dafür gebe es bereits, die „Wirtschaftsverbände laufen Sturm“. – Zeit Online/RM

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